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Der Fang

Leander mit Fernglas

Die ganze Rithmannschaft ist mit einem Schlag vom Jagdfieber gepackt. Die Anspannung zielt auf einen kleinen Punkt, der Backbord in der Nähe des Tonnenstrichs schwimmt.

Bis eben dösten wir noch so vor uns hin. Die Greifswalder Oie kroch an Steuerbord vorbei und wir spinnerten uns lustige Vogel-Flashmob-Geschichten zusammen. Um uns herum keine Welle, kein Wind, kein Verkehr, nur eine laue Abendstimmung. Wir haben aber nach der bewegten Überfahrt noch keine Lust den Motor anzuwerfen, um die südliche Fahrrinne um den Ruden zu nehmen.

Das Wetter ist wie gestern Nachmittag als wir in Ustka, an der polnischen Küste gestartet sind, um auf fast direktem Kurs nach Hause bzw. nach Greifswald zurückzukehren und den Urlaub zu beenden. Der direkte Kurs geht leider nicht. Obwohl es mit dem südlichen Wind wunderbar passen würde, müssen wir erst mal 12 Seemeilen rechtwinklig zur Küste rausfahren. Im militärischen Übungsgebiet Nr. 6 und 6b muss die Kampfkraft gestärkt werden. Das Gebiet ist für den Schiffsverkehr eine Woche gesperrt. Entgegen der üblichen Regelung wird die Sperrung nur für vier Stunden in der Nacht aufgehoben. Das würde zwar knapp reichen, aber bei den wechselhaften Winden eine nächtliche Motorfahrt bedeuten, auf die von uns keiner so richtig Lust hat. Wir haben uns also entschlossen, das Gebiet zu umfahren. Nach einem späten Frühstück noch mal an den Strand und dann los. Der kleine und angenehme Fischereihafen Ustka wird am Horizont immer kleiner. Vor der Mole kreist die unumgängliche Ausflugskogge, auf der die Gäste durch einen Animator zu einem ständigen gemeinsamen „Ahoi“ aufgefordert werden. In den zwei Tagen, in denen wir in Ustka gelegen haben, erlebten wir bei der Aus- und Einfahrt der Kogge das Unterhaltungsprogramm vielfach. Die Ausdauer des Animators finde ich bewundernswert.

Wie in diesem Urlaub mehrfach erlebt, ist der Wind direkt nach dem Start wunderbar und ich träume von einer lauen Nachtfahrt unter klarem Sternenhimmel, nur die Positionslichter erleuchten ein wenig die Wasserfläche und am Horizont fahren die kleinen Lichtpunkte vorbei, die zur Tankern, Frachtern und Fähren, den Lampenläden unter den Schiffen, gehören. Dann irgendwann kommt der Widerschein des ersten Tageslichtes auf und nach einer gefühlten Ewigkeit kriecht die Sonne über den Horizont und erwärmt die klammen Oberflächen an Deck.

Nach einer Stunde ist der Wind weg und die Segel schlappen vor sich hin. Der Verklicker dreht sich im Kreis. Wir starten den Motor. Die Segel bleiben erst mal oben, aus Faulheit und Hoffnung. Nach einer weitere Stunde stehen die Segel wieder ganz gut, nur seltsamer Weise auf Amwindkurs, obwohl wir direkt vor dem Wind gestartet sind und die Richtung nicht geändert haben. Wir müssen immer noch sechs Seemeilen raus, um das Militärgebiet zu umfahren. Der Unterhaltungswert der Übungen ist begrenzt. Ein paar mal hören wir Geschütze bummern, eine Leuchtrakete wird von einem Düsenjäger mit Raketen beschossen und natürlich auch getroffen. Ansonsten ist nichts zu sehen.

Der Wind kommt jetzt aus Nordwest. Passt aber auch. Die Geschwindigkeit nimmt spürbar zu. Wir sind uns einig, mit dem nächsten Wachwechsel für die Nacht die Genua gegen die Fock zu tauschen, auch wenn es schade ist die Rauschefahrt, mit annähernd Rumpfgeschwindigkeit, zu dämpfen. Zehn Minuten später muss die Genua runter. Kaum in der Plicht wieder angekommen, raffe ich mich auf das erste Reff einzubinden. Und noch mal zehn Minuten später ist auch das zweite Reff eingebunden. Aus der beschaulichen Nachtfahrt wird wohl wieder nichts.

Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen. Dank des wieder auf Süd gedrehten Windes kommen wir gut voran. Inzwischen ist es finstere Nacht. An den oberen Rand des Militärgebietes grenzen zwei Verkehrstrennungsgebiete, an deren südlichem Rand wir uns entlang tasten. Somit gibt es in der Nacht mehrfach große Annährungen an vorbeifahrende Frachter und Fähren.

Mit Anbruch des Tages ist um uns herum wieder alles ruhig. Nach dem Queren der Anfahrt von Świnoujście sind die letzten 10 Stunden für uns nur noch ein Katzensprung. Die letzte Brückenöffnung in Wieck, um nach Greifswald zu kommen, werden wir zwar nicht mehr schaffen, aber eine Nacht vor Anker in der Dänischen Wieck, mit morgendlichem Bad, ist auch ganz reizvoll.

So weit sind wir aber noch nicht. Wir haben den Motor angeworfen und dampfen direkt auf eine umgekippte grüne Tonne zu, die im wahrsten Sinne des Wortes an einer Stelle liegt, wo keine Tonne sein sollte. Da wir heute keinen Zeitdruck haben, geben wir unserer Neugierde nach und gönnen uns den Umweg. Vielleicht ist es ja doch keine Tonne? Vielleicht ist es was Anderes, was Spannendes, was zum rausfischen? Bälle, Schwimmringe, Luftballons und dergleichen kommen auf See immer mal wieder vorbeigesegelt. Meistens hat man dann aber doch keine Hand frei oder der Käscher ist ganz unten in der Backkiste verkramt.

Beim Näherkommen wird klar, dass das keine Tonne ist. Da schwimmt etwas, was raus auf die See will, wo wir gerade herkommen. Es ist ein fast 2m langes Krokodil, das uns entkommen will. Leander holt die Fangleine, die immer für Dalben, Poller und natürlich Krokodile parat liegt. Wir stoppen mit der Leeseite an unserer Beute auf. Leander fängt das Gummitier mit dem ersten Wurf und holt es an Bord. Große Freude bei den Jägern. Die Beute wird von Vogelschissen gereinigt, Luft abgelassen und zusammengefaltet.

Hinter dem Ruden gibt es dann noch mal eine kräftige Abendbrise, die uns mit einer neuen Geschichte ans Ziel bringt.

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