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Blick ins Abendrot im Hafen von Tallinn mit großen und kleineren Schiffen im Gegenlicht

Tallinn

Der Motor dröhnt, das Vorsegel hängt schlaff vorm Mast herunter und es regnet seit heute Morgen, als wir abgelegt haben, um nach Helsinki überzusetzen. Und es gibt überall diese kleinen Fliegen, die sich lieber totquetschen lassen, als aus dem Weg zu fliegen oder am besten ganz abzuhauen. Und das trotz Regen. Gestern Abend sah die geplante Überfahrt von Tallinn noch viel besser aus. Der Wettervorhersage nach sollte es am Vormittag noch schönen Süd-Ost-Segelwind geben, der uns bei Sonne gemütlich nach Helsinki schieben würde. So um diese Zeit sollte es dann in Tallinn anfangen zu regnen, wir hätten schon die halbe Strecke geschafft und würden nur die dunklen Wolken am Horizont sehen, und denken „gut, dass wir jetzt nach Helsinki fahren“. Bei einem Sonnenwetter so schön wie an den letzten beiden Tagen, an denen wir auf unseren Klapprändern Tallinns viele verschiedene Stadtviertel erkundet haben. Angekommen waren wir Freitagabend am Ende eines schönen Segeltages, der in Lohusalu begann. Ein Zwischenhafen mit viel Natur drum herum. Hier kam wieder der Wunsch auf ein paar Tage länger zu bleiben …

„Kyklava, Kyklava Kyklava…“

Das erste, was wir in der Regel von einem neuen Land mitbekommen, sind Wörter aus dem Funkgerät. „kyklava, kyklava, kyklava“ scheint das Pendant zu „securité, securité, securité“ zu sein, womit die Warnmeldungen und Wettervorhersagen der Funkstationen eingeleitet werden. Die Ansagen werden von der estnischen Funkstation Tallinn Radio erst auf Englisch gemacht und dann auf Estnisch wiederholt und mit diesem schönen Wort eingeleitet*. Jede Funkstation hat offensichtlich eine Handvoll von Leuten, die sich in Schichten abwechseln. Wenn man länger unterwegs ist, lernt man ihre Stimmen kennen und ihre Eigenarten bei den Ansagen. Tallinn Radio hat einen Funker, dessen Sprachmelodie die endlosen Wälder und die Weite der leeren Wasserflächen wiederzugeben scheint und an Melancholie kaum zu überbieten ist. Schon auf der Fahrt von Färosund im Norden von Gotland nach Estland, begegnen wir wenig Schiffen. In der Irbenstraße, die in die Rigaer Bucht hineinführt und in der wir uns im letzten Jahr durch richtig viel Verkehr fädeln mussten, nur ein einzelner Frachter. Und dann segeln wir an diesem frühen Sonntagmorgen mutterseelenallein im Sonnenschein an der Insel Saaremaa entlang …