Nach den diversen Kurztripps in der näheren Umgebung, weil die Windrichtung immer noch gegen uns ist, und wir auch mal ein paar Ecken erkunden wollten, wo wir sonst nicht hinkommen, ist jetzt Kurs Richtung Westen geplant. Es ist zwar nur wenig Wind vorhergesagt aber wenigstens nicht gegenan und auch keine Welle die gegen uns ist. Von Barhöft fahren wir bei leichtem Wind den Tonnenstrich auf die Ostsee raus und hoffen, dass es hier ein wenig mehr weht als an unserem Ankerplatz in der Windabdeckung. Das wir nicht direkt auf unser Ziel zufahren können und ein paar größere Kreuzschläge anstehen, darauf haben wir uns innerlich schon eingestellt. Aber draußen ist auch nicht genügend Wind um halbwegs weiter zu kommen. Annette möchte so gerne in den Nothafen Darßer Ort. Als Notfall reicht ihr auch – zu wenig Wind. Im Ergebnis der vorhergesagten Winddrehungen hatten wir eigentlich Warnemünde als Etappenziel vorgesehen. Aber egal woher der Wind kommt wir können überall hinfahren, denn wir laufen schon wieder unter Motor um heute überhaupt noch irgendwo anzukommen. Die Segel sind noch oben und fangen an nervig hin- und herzuschlappen, sobald wir etwas schneller fahren. Segel runter und wir tuckern durch eine alte seitliche Dünung die uns und alles im Boot schunkeln lässt. Also Großsegel hoch, mit dem wenigen Wind das Boot stabil halten und unter Motor eine Kurs fahren der so ungefähr in die gewollte Richtung geht. Inzwischen ist es drei Uhr Nachmittags und die voraussichtliche Ankunftszeit in Warnmünde pendelt sich bei Mitternacht ein. Für morgen ist dann wieder mehr Wind aus Süd vorhergesagt und Regen und Gewitter. Wir diskutieren die Idee, den geplanten Zielort in Fehmarn zu ändern, und nach einer ruhigen Nachtfahrt dort am Morgen anzukommen. Die noch mal gecheckten Wetterprognosen sagen, dass wir knapp vor dem Schlechtwettergebiet ankommen sollten. Wind in der Nacht – Fehlanzeige. Also Motor aus und im leichten Südwind mit den inzwischen von achtern kommenden Wellen Richtung Fehmarn treiben. Das heißt direkt nach Fehmarn wollen wir eigentlich nicht, da uns der große Sportboothafen eher abschreckt und wir lieber in einen der kleineren Häfen auf der Festlandseite gehen. Die Wahl fiel auf das uns unbekannte Großenbrode. Von unserem Besuch in Fehmarn-Burgstaaken vor einigen Jahren wissen wir noch, dass die Einfahrt nicht so einfach war. Beim favorisierten Hafen gibt es im Hafenhandbuch allerdings auch Warnhinweise bezüglich einer alten Mole unterhalt der Wasseroberfläche. Da werden wir uns schon reintasten. Es soll wohl auch zwei oder drei Tonnen geben.
Wie bei unseren anderen Fahrten lösen wir uns alle drei Stunden ab. Annette versucht ab acht Uhr sich auszuruhen um mich dann um elf Uhr abzulösen. Ich habe es mir an der Pinne mit Kissen, Keksen und Tee gemütlich gemacht. Für alle Fälle liegen schon mal die Segelklamotten parat. Die Sonne geht hinter einem Wolkenband unter und in der Ferne sind die ersten Vorboten den angekündigten schlechten Wetters zu sehen. Um das Verkehrstrennungsgebiet machen wir einen südlichen Bogen. Obwohl nicht viel Dampferverkehr ist wollen wir in diesem Bereich nicht unnötig rumdümpeln und auf Motorstunden haben wir keine Lust mehr.
Noch ungefähr eine halbe Stunde dauert meine Wache, da frischt es aus Südwest deutlich auf. Von vier Knoten Windgeschwindigkeit haben wir innerhalb einer Minute über zwanzig. Und es fängt natürlich an zu regnen. Annettes Vorschlag: „reffen?“ beantworte ich unwillig mit – „ja“. Denn wenn man denkt, man sollte reffen, dann sollte man reffen. Also geht der Affentanz am Großbaum diesmal im Dunkeln und bei Regen los. Nach einer Minute ist gleich das zweite Reff eingebunden und wir stürmen in herrlicher Rauschefahrt mit sechs bis sieben Knoten durch die regnerische Nacht. Durch das schnelle Auffrischen des Windes gibt es noch keine nennenswerte Welle. Am Bug spritzt das Wasser, von der Positionslaterne angestrahlt, rot und grün hoch. Schade wieder keine Kamera zur Hand um das ein Mal zu filmen.
Die voraussichtliche Ankunftszeit in Fehmarn verkürzt sich von acht Uhr auf zwei Uhr. Das heißt wir werden mitten in der Nacht ankommen. Jetzt wollen wir doch lieber in den Yachthafen als die Unterwassermole bei Nacht zu suchen. Blöd ist, dass ich heute beim Hoch-und Runter mit den Segeln unser Tablet mit der Navigationssoftware zertreten habe. Eine Hälfte vom Bildschirm funktioniert noch und wenn man es ganz vorsichtig in die Ecke stellt zucken auch nicht irgendwelche Programmfunktionen über den Bildschirm, die in der verwinkelten Hafeneinfahrt bei Wind, Welle und praktisch ohne Sicht jetzt absolut nicht benötigt werden. Dieses eine Mal funktioniert es noch. Am nächsten Tag beim Einschalten ist dann endgültig Schluss. Die Tonnen in der Hafeneinfahrt sind zwar nicht beleuchtet, aber es gibt ein Richtfeuer mit Sektoren. Hier muss man immer im so fahren, dass das Licht weiß bleibt, zu weit links sieht man rot und zu weit rechts sieht man grün. Beim Reinfahren dachten wir, ach sieh mal, da gibt es doch eine rot leuchtende Tonne. Das hätte ordentlich schief gehen können. Und hinter einer Kurve fährt man dann nach Ober- und Unterfeuer. Hier müssen ein oberes und ein unteres Licht genau übereinander stehen. Wandert das untere nach rechts muss man weiter rechts fahren und umgekehrt. Funktioniert super wenn man weiss wo welches Licht hingehört.
Der riesige Yachthafen ist gerammelt voll. Von unserem ersten Besuch, damals auf dem Weg nach Helgoland, wissen wir noch so ungefähr wie es hier bei Tag aussieht. Nachts fehlt jede Orientierung. Am schwierigsten ist, auf der Suche nach einer freien Box, ohne ein Gefühl der Entfernung in den engen Boxengassen zu drehen. Nach ein paar vergelichen Versuchen legen wir uns dann einfach in eine reservierte Box, mit dem Plan bei Tagesanbruch einen freien Patz zu suchen und das Boot zu verlegen. So wirds dann auch gemacht. Um sechs Uhr früh noch mal aufstehen, kleiner Hafenspaziergang, neuen Liegeplatz augucken, umparken und dann bis zwölf durchschlafen.
Montag geht es dann weiter Richtung Schleimündung. Dank dem seitlich bis achtern kommenden Wind geht es gut voran. Zwischendurch, während Annettes Wache, lässt mal der Wind nach, aber dafür regnet es ein wenig. Wie ich dann wieder dran bin ist der Regen vorbei und der Wind bläst in alter Frische. Niemand sagt, dass der Wind gerecht ist.