Leander ist, wie geplant, nach einer Woche wieder von Bord gegangen und nach Berlin zurückgeflogen. Wir verlassen wehmütig die Schären und wenden uns dem dritten großen Ziel der Reise zu – Gotland. Alle Jahre, die wir Richtung Osten auf der Ostsee unterwegs waren, wollte ich auch mal Gotland besuchen. Aufgrund der beschränkten Urlaubszeit war Gotland auf eigenem Kiel bisher nicht erreichbar. Diesmal klappt es, Gotland liegt voraus, die Windrichtung passt, kaum Welle, zum Nachmittag soll der Wind zunehmen bis Windstärke sechs. Für die gut 80 Seemeilen haben wir uns auf eine Nachtfahrt eingestellt und wollen erst am Morgen in den unbekannten Hafen einfahren. Gegen 9.00 Uhr zirkeln wir uns durch die letzten Steinhaufen der Außenschären und können wieder ohne permanentes Kartenstudium relaxt segeln. Anfangs noch mit Genua, dann wird der Wind stärker, Genua wird gegen Fock getauscht, bis auch noch ein Reff ins Großsegel gebunden werden muss. Nach und nach baut sich eine Welle auf, die von schräg hinten kommt, aber nicht bremst. So rauschen wir dann mit fünf bis sieben Knoten Visby entgegen. Die voraussichtliche Ankunftszeit verschiebt sich von den geplanten Morgenstunden auf Mitternacht. Ein weinig nervig ist, dass wir parallel mit der Fährweg der Hochgeschwindigskeitsfähre fahren. Diese kommen mit ca. 30 Knoten angebraust und selbst mit AIS ist es schwer auszumachen, in welche Richtung man am besten ausweicht. Das widerholt sich alle drei Stunden.
Kurz vor dem Ziel gibt es dann noch eine Überraschung, die eigentlich gar keine ist. Philippe hat es uns gesagt, Leander hat es heute noch mal am Telefon gesagt und wir haben es doch vergessen – Mondfinsternis. Annette findet den Mond irgendwie seltsam heute Nacht. Nachdem sich die letzten Wolken verzogen haben ist die Nacht sternenklar und der Mond irgendwie anders. Was folgt ist ein wundervolles Wiedererleuchten des Mondes. Erst mit einem ganz kleinen Punkt an der linken Seite und dann eine beständig zunehmende Sichel auf einer plastisch wirkenden Mondkugel. So fahren wir dem hell erleuchtem Visby zu. Um uns die schwarze See mit kurzen kreuzenden Hackwellen, die auch schon mal an die drei Meter Wellenhöhe schaffen. Böiger Wind mit Stärke fünf und über uns dieser friedliche große runde Mond, der immer heller wird.
In dem ganzen Lichtermeer ist der Hafen schwer auszumachen. Letztendlich finden wir den Eingang und fahren kurz nach einer der Hochgeschwindigkeitsfähren auch ein. Nur wo ist der Anleger für Sportboote. Überall können wir nur Wellenbrecher und die riesige Fähre sehen, bis wir mitkriegen, am Heck der Fähre wo die Schrauben quirlen und blubbern ist noch ein Loch in der Hafenmauer, wo es weitergeht. Dort steht auch schon ein netter Herr mit Taschenlampe und weist uns einen Platz an. Er hatte uns schon seit einer Stunde beobachtet und gewartet. Nach einem kleinen Absackerwiskey kriechen wir um halb drei in unsere Kojen. Die Bässe der Diskomusik von der anderen Hafenseite werden vom Unterbewusstsein ausgeblendet. Am nächsten Morgen wollen wir uns die Stadt ansehen. Vorher jedoch erstmal im Hafenbüro anmelden. Visby ist, wie schon vermutet, der teuerste Hafen auf dieser Reise. Bemessen wird nach Bootsbreite und mit 33€ pro Nacht sind wir dabei. Jedoch ohne Dusche, Strom, Waschmaschine, was in anderen Häfen, wenn vorhanden, inklusive war. Internet gibt es hier nicht. Auch nicht für Geld.
Visby als Stadt hat eine tolle historische Substanz. Beginnend vom frühen Mittelalter mit einer zum Großteil noch vorhandenen Stadtmauer, diversen Kirchenruinen über kleine Holzhäuser und alles was die Jahrhunderte dazu gefügt haben. Visby ist aber auch eine Touristadt mit allem Schickimicki und sehr gut besucht. Als wir zum Hafen zurückkommen, ist die Party schon wieder voll im Gange. Irgendwo hinter den Toilettenhäusern und dem Hafenmeisterbüro dröhnen die Bässe. Bestimmt mehr als 300m und gegen den Wind kommen hier immer noch über 80dB an (gemessen mit dem Handy). Eigentlich wollten wir zwei Tage hier bleiben. Jetzt suchen wir, mit Ohrstöpseln in den Ohren, gerade den nächsten Hafen.
Kleiner Nachtrag: Ich habe mal meine Ohrstöpsel rausgezogen und bin immer dem Krach nach. Es nennt sich „the withe party“ und ist eine kommerzielle Bedröhnung, wo ca. 300 Schweden, alle in weißen Klamotten, weiß geränderten Sonnenbrillen, zwischen weißen Fähnchen und Luftballons und hacke voll, rumhopsen. Das sieht nicht so aus als ob hier bis zum Fernsehabendprogramm Schluss ist.
Kleiner Nachtrag zum kleinen Nachtrag: Die Party war um 18.OOUhr schlagartig zuende. Danach ging es noch auf zwei Jachten weiter. Am nächsten Tag war aber wieder Ruhe. Wir sind letztendlich drei Tage geblieben, wobei wir uns am dritten Tag ein Auto gemietet haben und kreuz und quer über die Insel gegurkt sind. Das ist auf alle Fälle zu empfehlen, da viele der alten Kirchen und sonstigen Sehenswürdigkeiten im Inneren der Insel liegen und die Entfernungen einfach zu groß sind. Gotland ist die zweitgrößte Insel in der Ostsee. Die ländlichen Nebenstraßen sind so breit wie ein PKW und so kommen wir auch in Gegenden, die nicht vom Tourismus dominiert werden.