Es ist der nördlichste Punkt unserer Reise und es ist der heißeste Tag. In Turku steigt das Thermometer heute auf 32°. Der Stadtspaziergang findet auf der Schattenseite der Straßen und in halbem Tempo statt. Auf der einen Seite des Flusses vom Yachthafen durch das Zentrum bis zum Dom und auf der anderen Flussseite zurück.
Unter „Turku“ hatte ich mir eine nicht sehr große, alte, aus schönen Holzhäusern bestehende Stadt vorgestellt. Der Name „Turku“ klingt für mich nach Holz. Aber es ist wie so oft: Alles ganz anders. Es gibt hier und da ein schönes großes oder kleineres altes Holzhaus, aber mein Bild der Stadt wird bestimmt von großen Wohnhäusern in allen Stilrichtungen seit den 50er Jahren.
Vor einer Woche sind wir von Tallinn nach Helsinki gefahren. Hatten uns diesen Montag herausgesucht und alles andere darum herum geplant, weil an diesem Montag anstelle des in diesem Sommer vorherrschenden Nordwinds, Südwind bzw. Südostwind sein sollte. Und dann geraten wir in eine Regenwolke, in der nur Regen ist, ohne Wind und motoren fast die ganzen 50 Seemeilen im Regen.
Ab da geht es dann mit dem Wetter aber rasant aufwärts. Wir liegen im Yachthafen von Suomenlinna und damit direkt in einer der Sehenswürdigkeiten von Helsinki. Suomenlinna ist eine Seefestung, die auf 4 untereinander verbundenen Inseln liegt. Die Arbeiten begannen 1748, als Finnland zum Königreich Schweden gehörte. Im 19. Jahrhundert ist sie ein russischer Militärstützpunkt. Seit 1991 gehört sie, als Beispiel für europäische Festungsarchitektur zum UNESCO Weltkulturerbe. Natürlich sieht man den Gebäuden ihre militärische Bestimmung an und ein Teil wird wohl auch noch vom Militär genutzt, aber viele Häuser enthalten Werkstätten, werden bewohnt oder beherbergen Cafés und Restaurants. Es gibt eine Bibliothek, ein Hostel, ein Museum und, besonders beeindruckend, eines der ältesten noch in Betrieb befindlichen Trockendocks Europas, in dem im 18. Jahrhundert die Schiffe der Archipelflotte gebaut wurden und in dem heute Traditionsschiffe restauriert werden. Natürlich darf auch eine Kirche nicht fehlen, denn man kämpfte und eroberte ja nicht ohne Gottes Segen. Diese ist von aufrecht stehenden Kanonenrohren umstellt, die mit Ketten verbunden den Zaun bilden. Vom Kirchturm bläst abends um zehn ein Trompeter den Zapfenstreich(?). Einige Finnen auf den Nachbarbooten holen dann ihre Nationalfahne herein. Auf mich wirken solche Rituale immer etwas befremdlich.
Am Dienstag fahren wir mit der Fähre nach Helsinki und laufen den ganzen Tag durch die Straßen. Eigentlich suchen wir einen Yachtausstatter. Peter hatte auch eine Adresse im Internet gefunden. Als wir dort ankommen, sind ein paar Bagger gerade dabei, die Reste des blauen Gebäudes, in dem sich das Geschäft befinden sollte, einzureißen. Yachtausstatter sind offensichtlich rar in Finnland. Eine weitere Adresse finden wir in dem Internet, dessen Sprache wir verstehen, nicht. Wir werden wohl ohne einen Schärenatlas auskommen müssen.
Die Felsenkirche, eine Kirche, die in den 60er Jahren mitten in der Stadt in einen Felsen gegraben worden ist – wunderschön, mit einem runden Kupferdach- schauen wir uns an und den Dom und eben viele Straßen. Besonders gefällt mir eine Fahrrad- und Fußgängerstraße, die da, wo bei den Berliner Boulevards der Mittelstreifen ist, ein paar Meter unter Straßenniveau durch den felsigen Untergrund verläuft. Mit dem Fahrrad quer durch die Innenstadt kommen, ohne vom Autoverkehr bedrängt zu werden, das würde ich mir für Berlin auch wünschen!
Die nächsten Tage segeln wir durch die Schären und verbringen die Nächte an Ankerplätzen, die alle wunderschön sind, aber nie leise. Bis auf ein paar Nacht- und Morgenstunden hört man praktisch immer den Motor eines (oder mehrerer) Motorboote*s. Aber die vielen kleinen und größeren Inseln sind wunderschön, die Sonnenuntergänge furios und es ist so warm, dass wir jeden Tag baden können. Und auch wenn der Juli sich langsam dem Ende zuneigt, wird es hier nachts nicht dunkel, was den Tagen einen ganz besonderen Zauber verleiht.
Nachtrag am 29. Juli: Turku hat neben dem Dom eine große, sehr schöne Mittelalter/ Renaissance-Burganlage, die zu besichtigen wirklich spannend ist. Und ich habe verstanden, dass es so eine komplette Altstadt hier nicht gibt. Vielmehr mischt sich Altes und Neues zu einer lebendigen Stadt.