Byxelkrog als Absprunghafen für die große Überfahrt sind wir aus rein praktischen Gründen angelaufen. Auch um nochmal Mails zu checken, Diesel nachfüllen – die Tanke ist gleich oben an der Straße, Wäsche waschen und dann mit dem angesagten halben Wind zwei Tage und Nächte bis Sareema durchzufahren. Guter Plan. Die Wettervoraussage zeigte, dass es bis Gotland noch etwas gegenan geht, dann aber in der Nacht der Wind nachlässt und wir, so ab Mittag wenn die Nordspitze von Gotland quer ab liegt, mit gutem Wind von der Seite bis an unser Etappenziel gelangen können. Später sollten wir aber nicht starten, da dann am Ziel der Wind auf Ost dreht, also genau von vorn kommt.
Früh haben wir dann unsere Wäsche zusammengesucht und die Waschmaschine gefüttert. Gegen Mittag war alles sauber und nass. Der Trockner zuckte erst gar nicht, konnte dann aber vom etwas genervten Hafenmeister überredet werden sich zu bewegen. Der Erfolg nach einigen Stunden war leider nur mäßig. Wir haben unseren ganzen Kram dann über und unter Deck aufgehängt, in der Hoffnung bis zur Abfahrt es wenigstens so trocken zu kriegen, dass es zwei Tage später nicht schlimmer als vor der Wäsche stinkt. Diesel auffüllen ist dann auch ausgefallen, da die automatische Zapfanlage leider „out of order“ war. Zum Glück haben wir ein Segelboot und brauchen eigentlich gar keinen Motor und Diesel. Früher ging es auch ohne. Durch das permanente Pfeifen in den vielen Rigs konnten wir uns sicher sein, dass Wind ist.
Mails checken und ein paar Dateien hochladen ging dann auch besser übers Telefon, da das Hafennetz immer am Anschlag war. Ein weiterer Vorteil von unserem Plan abends zu starten war, dass wir die Liegegebühr für eine Nacht sparen konnten.
Also endlich raus aus Byxelkrog. Ein wenig Hafenkino für die Dagebliebenen, wir sind die einzigen die rausfahren, und rein in die Welle auf Kreuzkurz. Nach fünf Minuten ist alles nass. Das erste Reff, das wir schon im Hafen reingebunden haben, reicht nicht. Mit dem zweiten Reff läuft Rith ganz gut und auch die Erfolge auf der Kreuz sind ganz passabel. Der Wind soll ja abnehmen und wenn wir von der Küste und den vorgelagerten Flachs weg sind sind die Wellen hoffentlich auch nicht mehr so schlaglochartig.
Der Wind wird dann auch irgendwann weniger, die Welle nicht. An schlafen ist nicht zu denken. Essen mag auch keiner so richtig. Draußen ist eine seltsame Stimmung. Wir reffen aus, schaukeln in den Wellen rum, kommen aber nicht wirklich vorwärts. Da das Reffen bei uns nur am Mast geht muss ich mich jedes Mal aufraffen um auf dem hopsenden Schiff nach vorne zu kriechen.
Nach Mitternacht ist es kurz dunkel, dann wird es auch schon wieder etwas hell. Wir können gut die herannahenden Wolkenwalzen sehen und versuchen auszuweichen. Da es gerade noch so schön gemütlich ist binden wir wieder das zweite Reff rein. Keinen Moment zu früh. Der Wind nimmt stark zu und Rith reitet mit uns über die nächtlichen Wellen, die durch den Wind angestachelt, jetzt auch wieder größer werden. Ein paar Mal erwischt uns eine brechende Welle, die es dann auch gleich per Salto bis in die Plicht schafft. Macht trotzdem Spaß. In jeder Welle spritz die von der Buglaterne rot und grün erleuchtete Gischt seitlich an uns vorbei und es geht voran. Leider schieben uns die Wellen immer wieder zurück. Bei manchen Kreuzschlägen können wir kaum Höhe gewinnen. Jetzt spüren wir auch deutlich den fehlenden Schlaf und der Plan zwei Tage durchzufahren ist doch nicht mehr so lockend. Auf der Suche nach Plan B macht Visby auf Gotland das Rennen. Den Hafen kennen wir vom letzten Jahr und könnten so gegen zehn Uhr da sein. Völlig übernächtigt laufen wir ein und werden äußerst freundlich in Empfang genommen. Als Ortskundige bleiben wir gleich an der Außenpier. Aus dem Stadthafen dröhnt schon die Gute – Laune – Musik herüber. Danach ist uns gerade nicht. Beim Festmachen verheddert sich ein Fender in einer der reichlich vorhandenen Murings, wodurch wir gleich mal quer einparken. Nachdem alles klariert ist verziehen wir uns in die Kojen und kommen erst am Nachmittag wieder hervor. Jetzt eine Dusche. In Byxelbrog war aufgefallen, dass die ganze Technik in die Jahre kommt, in Visby geht es so weiter. Nachdem ich die Dusche mit meiner Karte aktiviert habe spritzt ungefähr genau so viel Wasser aus der Armatur wie aus dem Duschkopf. Wenn ich mich an die Wand quetsche wie an einen Marterpfahl geht es so einigermaßen mit dem duschen. Am Abend erkunden wir noch ein paar Ecken von Visby, die wir im letzten Jahr nicht gesehen hatten. Die Stadt ist von ihrer Mittelaltersubstanz einfach phänomenal.
Der nächste Morgen verwöhnt uns mit Sonne ohne Wind und Welle. Wir wollen weiter gen Norden. Kein Wind stimmt nicht ganz. Am Anfang war wenig Wind und wir haben wider brav versucht zu kreuzen. Nach drei Stunden wurde beschlossen es ist kein Wind und der Motor ging an. Der Plan für heute war nur einen kleinen Hafen im Färösund zu erreichen um dann am Samstag + Sonntag unsere große Überfahrt zu beenden. Die letzten drei Stunden gab es dann doch noch schönen Segelwind und hat uns mit dem Wetter wieder versöhnt. Die trichterförmige Einfahrt in den Färösund endet in einer geraden, eng mit Tonnen ausgelegten Passage. Danach reihen sich drei kleine Häfen auf. Der erste ist der Fischereihafen, in dem auch die Fähre zwischen Gotland und Färö anlegt, einem Hafen mit einem kleinen Hafenbecken an einer Werft und am Ende der kleine Vereinshafen Smäbätshamn. Wir fahren in den mittleren, der auch schön voll ist. Beim ersten orientieren im Hafenbecken werden freundlich aber entschieden gleich ans Ende vom Becken verwiesen, wo noch eine viel zu kleine Lücke zwischen den Booten ist. Keiner will uns ins Päckchen nehmen. Das erleben wir zum ersten Mal. Nach mehreren Versuchen in die Lücke längs zu kommen, bei denen uns ein paar Esten tatkräftig unterstützen, die in Berlin ein kleines Segelboot gekauft haben und jetzt nach Hause überführen, gehen wir vor Heckanker in die Lücke und liegen quer zu den Anderen, wie ein Smart in einer berliner Parklücke. Das Blöde ist nur, dass unser Ankerband jetzt quer durch den Hafen liegt. Hoffentlich fährt da nachts keiner rein. Dass der erste morgens um sechs raus will haben wir auch schon erfahren.
Nach dem morgendlichen Rangieren beschließen wir uns doch den kleinen Vereinshafen anzusehen, wo eine schönen ruhigen Platz finden und den Rest des Tages mit kleinen Reparaturen, einkaufen, lecker kochen und essen verbringen.