Südwind! Seit wir vor zweieinhalb Wochen in Greifswald aufgebrochen sind, rede ich von Südwind. Südwind, der uns, wie im letzten Jahr, lässig die polnische Küste entlang segeln lässt. Südwind, der, weil er von Land kommt, keine große Welle entstehen lässt. So ein Südwind ist jetzt angesagt und es könnte alles so schön sein, wenn nicht die polnische Marine ausgerechnet diese Woche zu einer Übungswoche bestimmt und die beiden Militärgebiete, die direkt hinter Ustka beginnen und sich ca. 25 Seemeilen weit nach Westen erstrecken, für Fischerei und gewöhnliche Seefahrt geschlossen hätte. So segeln wir erst 12 Seemeilen nach Norden und biegen dann nach Westen ab und es kommt, wie schon auf dem Weg nach Ustka: Die Nacht über weht es mit angenehmer Stärke, in den Morgenstunden legt der Wind zu und Rith tobt im zweiten Reff annähernd mit Rumpfgeschwindigkeit über die Wellen (7 Knoten). Allerdings, und da profitieren wir dann doch vom Südwind, auf Halbwindkurs und bei einer moderat bleibenden Welle. Außerdem ist das Wetter schön. Also Schluss mit dem Meckern und den letzten langen Segeltag dieser Reise genießen.
Im Greifswalder Bodden dann Flaute. Spiegelglatt und ein bisschen überirdisch strahlt unsere zweite Segelheimat uns entgegen. Und wir haben Zeit uns der Stimmung hinzugeben. Keine Brückenöffnung in Wieck, die wir heute noch erreichen wollen, der Ankerplatz kann warten, so schnell muss die letzte Fahrt noch nicht zu Ende gehen. Dunkelheit? Kann uns alte Nachtsegler doch nicht mehr schrecken. Wir kennen doch hier alles, sind hier schon viele Male kreuz und quer gesegelt. Denken wir. Aber da lauert ein Zauber, der alles so seltsam verwandelt, wenn das Tageslicht auf und davon ist. „Ist das jetzt die Ecke, wo immer die Kitesurfer sind?“ „Da vorne steht die Plattform.“ „Das kann nicht sein, so weit sind wir noch nicht.“ „Wieso wird es hier flach, das dürfte doch noch nicht sein?“… Zum Glück ist es eine ziemlich klare Nacht und zum Glück haben weise Menschen, erfahren im Umgang mit nächtlichem Zauber, beleuchtete Seezeichen entwickelt, die uns sicher an den Ankerplatz geleiten.
Seit gut 30 Stunden sind wir unterwegs. Jetzt lassen wir uns noch ein mitternächtliches Mahl schmecken und sinken redlich müde in die Kojen.