Ich weiß es nicht und wahrscheinlich stimmt es auch garnicht, aber es ist doch schon ein bisschen seltsam, dass wir den größten Teil dieses Sommers nördliche Winde hatten und der Wind an dem Tag, an dem wir die Heimreise antreten und den Bug nach Süden richten auf Süd dreht. Das bleibt weitgehend so, bis wir die Südspitze von Schweden erreicht haben. Ab jetzt wäre Südwind garnicht so schlecht – da, es ist nicht schwer zu erraten, dreht er auf westliche Richtungen. Der Wind kommt also immer von vorn. Peter sagt, das ist nur Wetter, aber ich kann nicht verhehlen, dass ich geneigt bin, das ein bisschen persönlich zu nehmen. Dieses „Wetter“ spielt sich einfach gerade ganz schön in den Vordergrund. Einen nicht unerheblichen Teil unserer Zeit verbringen wir damit, anhand der Vorhersagen Strategien zu entwickeln, wie wir am Besten nach Hause kommen. Da die Vorhersagen sich immer wieder ändern, müssen auch die Strategien immer wieder neu diskutiert werden. Das ist irgendwie auch ganz unterhaltsam, aber dann kommt der Moment, da werden die Leinen losgemacht und dann erklären uns Wind und Wellen, ob unsere Strategie gut ist oder nicht.
Nachdem wir drei Tage durch die Stockholmer Schären gekreuzt waren und die Nächte an schönen, gut geschützten Ankerplätzen verbracht hatten, war eine Nacht im Hafen fällig, um die Vorräte aufzufüllen und mal wieder zu duschen. Danach ging es vor allem darum, vorwärts zu kommen. Von Nynäshamn aus konnten wir, bei Südwestwind, hoch am Wind ganz gut die Küste entlangsegeln. Auch hier sind der Küste Schären vorgelagert und wir hatten uns überlegt, anstatt in einen der Häfen zu fahren, die alle ein paar Meilen hinter diesem Schärengürtel liegen, einfach einen schönen Ankerplatz zu suchen, ein paar Stunden zu schlafen und dann gleich wieder auf der Ostsee zu sein, um weiter zu fahren. Peter hatte in der elektronischen Seekarte eine Stelle ausgesucht, die als Ankerplatz ausgewiesen ist. Die Bucht ist ziemlich klein, aber gegen Südwestwind ganz gut geschützt. Leider schaffen wir es nicht, zum Festmachen so weit an den Felsen heranzufahren, dass Peter hinüberklettern kann. Egal, wo wir es versuchen, immer stoßen wir vorher auf Grund oder Steine. Einen anderen brauchbaren Platz haben wir auf dem Weg hierher nicht gesehen. Versuchen wir es mit Ankern. Die Bucht ist gerade so groß, dass sich Rith einmal um den Anker drehen könnte. Wir können allerdings auch nicht richtig in die Bucht hineinfahren, weil sie schnell flach wird. Ideal ist das alles nicht, aber wenn nichts Unvorhergesagtes passiert, wird es schon gehen. Passiert aber leider doch. Gerade stehen Kartoffeln, Bohnen und Spiegeleier auf dem Tisch, da kommt ein Gewitter, der Wind dreht auf Nord, weht damit genau in die Bucht hinein und der Anker fängt an zu slippen. Motor an und raus hier, sonst sitzen wir gleich auf Grund. Und wie kommen wir dann hier wieder weg? Am Anker hängt Seegras, als Peter ihn hochholt, das konnte nicht halten. Das Gewitter hat uns nur gestreift und sich schnell wieder verzogen, aber was machen wir jetzt? Ratlos fahren wir im Fahrwasser auf und ab, erwägen diese und jene Möglichkeit, verwerfen alle wieder. Der einzige geschützte Ort, den wir entdecken, ist ein Steg in einer schmalen Bucht, der zu ein paar Häusern gehört. Zwei große Steine liegen in der Einfahrt unter Wasser, an dem einen verwirbeln sich die Wellen, den anderen kann man nicht sehen. Sie sind aber auf der elektr. Seekarte verzeichnet und wir tasten uns zwischen ihnen hindurch und machen an dem Steg fest. Es sind offensichtlich Wochenendhäuser, zu denen dieser Steg gehört. In einem brennt Licht. Wir können aber keinen Menschen entdecken und auf unser Klopfen reagiert auch niemand. Es ist inzwischen schon ziemlich spät und die Wahrscheinlichkeit, dass noch ein Boot erscheint und den Platz beansprucht, den wir hier belegen, ziemlich gering. Also essen wir unser lauwarmes Abendessen und gehen ins Bett. Am nächsten Morgen hinterlassen wir zwei Flaschen Berliner Bier und einen Zettel mit einem Dankeschön auf dem Steg und machen uns auf den Weg. Das bisschen Wind, das weht, kommt genau von vorne. Fast den ganzen Tag läuft der Motor. Manchmal ziehen die Segel mit.
Am Nachmittag fangen die schönen weißen Wolken über der Küste an, sich unvorteilhaft zu verändern. Sie wachsen in die Höhe, werden graublauschwarz und legen sich einen bösen Böenkragen um. Gewitter. Wo zieht es lang? Kommt es auf uns zu? Wir nehmen das Großsegel herunter, damit wir nicht zuviel Segelfläche oben haben, falls uns das Gewitter erwischt, ziehen unser Ölzeug an und versuchen dem ganzen davon zu fahren, bzw. nicht in die Zugbahn zu geraten. Zum Glück bleibt es an Land, regnet sich dort ab und löst sich nach und nach wieder auf. Es bleibt nicht das einzige Gewitter des Tages und die ganze Nacht können wir noch Wetterleuchten über Öland und dem Festland beobachten, während wir in den Kalmarsund segeln. Hier kommt auch zum ersten Mal nennenswerter Wind auf. Und endlich aus West – das wurde schon seit zwei Tagen versprochen. Drei oder vier Stunden können wir segeln, dann nimmt der Wind wieder ab und dreht auf Süd, kommt also wieder mal von vorne. Erst abends, am Südende des Kalmarsundes frischt es auf. Schnell ist eine Welle da, gegen die wir mit dem Motor kaum vorwärts kommen. Die letzten 12 Meilen müssen wir kreuzen. Und jetzt liegen wir im Hafen von Sandhamn und stricken an den Strategien, die uns möglichst stressfrei über die südliche Ostsee bringen sollen.
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