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eine große Wasserfläche, am Horizont die Kirchen von Stralsund

Herumgondeln, mit dem Boot, einfach so…

Ohne die Corona-Pandemie wären wir nicht auf die Idee gekommen „mal in Deutschland herumzusegeln“ – an Orte, die entweder Peter oder ich oder wir beide noch nicht kennen. In den letzten Jahren haben wir wunderbare Reisen gemacht, auf denen wir die Zeit, die wir hatten, gut ausgenutzt und dadurch viele Orte besucht und viel erlebt haben. Dabei ist in einer Ecke meines Herzens der Wunsch gewachsen, einmal ohne große Pläne und Ziele mit RITH herumzugondeln und genau das tun wir in diesem Jahr. Es gibt, als grobe Richtung, die Schlei. Aber ob, wann und wie wir dahin kommen, ist eigentlich egal. Seit einer Woche sind wir jetzt unterwegs, haben nach langen Jahren meine Lieblingsinsel Hiddensee mal wieder besucht und dabei Freundinnen und Freunde getroffen, die ihre Ferien ebenfalls segelnd verbringen und uns schöne Plätze empfehlen können. Normalerweise kommen solche Empfehlungen auf eine „Liste der Orte, die wir irgendwann einmal besuchen wollen“. Diesmal fahren wir einfach hin – in den Jasmunder Bodden zum Beispiel, in dem es einen Ankerplatz gibt, an dem die bewaldete Steilküste gut …

Der Großsegler "Kapitan Borchardt" unter Motor auf dem Stettiner Haff

So wie immer aber anders

Auf dem Wasser scheint die Corona-Pandemie ganz weit weg. Wir schippern mit unserer kleinen Welt namens Rith über die Wasserstraßen, an denen mittlerweile jeder Baum ein alter Bekannter zu sein scheint. Alles fühlt sich an wie immer und dann doch nicht. Die Spree in Berlin – leer. Es ist nicht weniger, es ist kein Ausflugsverkehr. So haben wir diese Strecke noch nicht erlebt. Keine Kreuzfahrtschiffe auf den Kanälen, kaum Binnenschiffe und, anders als erwartet, auch nicht viele Sportboote. Alles ist ruhiger, gelassener. Das Schiffshebewerk hebt bzw. „senkt“ heute nicht mehr – dann schlafen wir eben hier. In Stettin, wo wir an der Kaikante in der Innenstadt den Mast stellen, ein Gespräch mit Passanten: „Wie ist das mit Corona bei euch? Abstand und Masken. Bei uns auch. Stimmt es, dass ihr jetzt 200 Euro zahlen müsst, wenn ihr in den Öffentlichen Verkehrsmitteln keine Maske tragt? Oh, wirklich?“ In Swinemünde ist der Hafen halbleer. Habe ich überhaupt eine Fähre nach Schweden ablegen sehen? Ich glaube nicht. Anders als sonst im Mai, legen wir eine Ankernacht in der Dänischen Wieck …

Blick ins Abendrot im Hafen von Tallinn mit großen und kleineren Schiffen im Gegenlicht

Tallinn

Der Motor dröhnt, das Vorsegel hängt schlaff vorm Mast herunter und es regnet seit heute Morgen, als wir abgelegt haben, um nach Helsinki überzusetzen. Und es gibt überall diese kleinen Fliegen, die sich lieber totquetschen lassen, als aus dem Weg zu fliegen oder am besten ganz abzuhauen. Und das trotz Regen. Gestern Abend sah die geplante Überfahrt von Tallinn noch viel besser aus. Der Wettervorhersage nach sollte es am Vormittag noch schönen Süd-Ost-Segelwind geben, der uns bei Sonne gemütlich nach Helsinki schieben würde. So um diese Zeit sollte es dann in Tallinn anfangen zu regnen, wir hätten schon die halbe Strecke geschafft und würden nur die dunklen Wolken am Horizont sehen, und denken „gut, dass wir jetzt nach Helsinki fahren“. Bei einem Sonnenwetter so schön wie an den letzten beiden Tagen, an denen wir auf unseren Klapprändern Tallinns viele verschiedene Stadtviertel erkundet haben. Angekommen waren wir Freitagabend am Ende eines schönen Segeltages, der in Lohusalu begann. Ein Zwischenhafen mit viel Natur drum herum. Hier kam wieder der Wunsch auf ein paar Tage länger zu bleiben …

„Kyklava, Kyklava Kyklava…“

Das erste, was wir in der Regel von einem neuen Land mitbekommen, sind Wörter aus dem Funkgerät. „kyklava, kyklava, kyklava“ scheint das Pendant zu „securité, securité, securité“ zu sein, womit die Warnmeldungen und Wettervorhersagen der Funkstationen eingeleitet werden. Die Ansagen werden von der estnischen Funkstation Tallinn Radio erst auf Englisch gemacht und dann auf Estnisch wiederholt und mit diesem schönen Wort eingeleitet*. Jede Funkstation hat offensichtlich eine Handvoll von Leuten, die sich in Schichten abwechseln. Wenn man länger unterwegs ist, lernt man ihre Stimmen kennen und ihre Eigenarten bei den Ansagen. Tallinn Radio hat einen Funker, dessen Sprachmelodie die endlosen Wälder und die Weite der leeren Wasserflächen wiederzugeben scheint und an Melancholie kaum zu überbieten ist. Schon auf der Fahrt von Färosund im Norden von Gotland nach Estland, begegnen wir wenig Schiffen. In der Irbenstraße, die in die Rigaer Bucht hineinführt und in der wir uns im letzten Jahr durch richtig viel Verkehr fädeln mussten, nur ein einzelner Frachter. Und dann segeln wir an diesem frühen Sonntagmorgen mutterseelenallein im Sonnenschein an der Insel Saaremaa entlang …

Kirchenruine

Immer wieder Visby

Byxelkrog als Absprunghafen für die große Überfahrt sind wir aus rein praktischen Gründen angelaufen. Auch um nochmal Mails zu checken, Diesel nachfüllen – die Tanke ist gleich oben an der Straße, Wäsche waschen und dann mit dem angesagten halben Wind zwei Tage und Nächte bis Sareema durchzufahren. Guter Plan. Die Wettervoraussage zeigte, dass es bis Gotland noch etwas gegenan geht, dann aber in der Nacht der Wind nachlässt und wir, so ab Mittag wenn die Nordspitze von Gotland quer ab liegt, mit gutem Wind von der Seite bis an unser Etappenziel gelangen können. Später sollten wir aber nicht starten, da dann am Ziel der Wind auf Ost dreht, also genau von vorn kommt. Früh haben wir dann unsere Wäsche zusammengesucht und die Waschmaschine gefüttert. Gegen Mittag war alles sauber und nass. Der Trockner zuckte erst gar nicht, konnte dann aber vom etwas genervten Hafenmeister überredet werden sich zu bewegen. Der Erfolg nach einigen Stunden war leider nur mäßig. Wir haben unseren ganzen Kram dann über und unter Deck aufgehängt, in der Hoffnung bis zur Abfahrt …

Öland – die Königsinsel

Neben Gotland gibt es, so halb südwestlich versetzt, noch die Insel Öland. Auf dem Weg nach Lettland sind wir bereits die halbe Nacht an der Ostküste von Öland vorbei gesegelt, sodass uns die Insel schon ein wenig wie eine alte Bekannte vorkommt. An der Nordspitze gibt es eine kleine Bucht mit einem Hafen am Ende. Eventuell kann man hier auch ankern. Weitere Hafeninformationen haben wir nicht. Um Öland fahren wir wieder nach Seekarten aus Deutschland und diese haben nur eine ganz kleine Auswahl an Häfen im dazugehörigen Handbuch. Nabbellund, so heißt der Hafen, ist nicht mit dabei. Der Kartenmassstab ist jetzt wieder doppelt so groß wie bei den schwedischen Schärenkarten. Die Durchfahrt sieht auf der Karte auch super schmal aus, ist aber ausgetonnt. Wie wir bei den ersten Tonnen ankommen, ist alles sehr großzügig breit und die Tonnen stehen Spalier wie auf einer Landebahn die Lichter. Hier hätte ich auch eine Fähre rein bugsieren können, wenn ich eine Fähre fahren könnte. Der Hafen ist ein kleiner Fischreihafen mit ein paar Gästeplätzen und gegenüber den meisten …

„Gottland“

Wenn die Schweden «Gotland» sagen, klingt das wie «Gottland». Wenn man nicht, wie wir, auf eigenem Kiel angesegelt kommt, kann man über «Gods Terminal» am Fährhafen von Visby einreisen. Im Yachthafen, der von sehr netten jungen Menschen am Laufen gehalten wird, herrscht die Protzerei. Gigantische Motorboote und fette Segelyachten. Wird Protzerei zu den Sünden gezählt? Sollte es vielleicht. Diese Boote scheinen die Aufgabe zu haben teuer auszusehen. Ästhetik spielt da nicht so eine Rolle. Aber leider sehe ich immer erst diese Ungetüme, bevor mein Blick auf die historische Kulisse von Visby fällt. Am Sonntag folgt dann auch ein Donnerwetter in Form eines Gewitters mit sintflutartigen Regenfällen. In der Stadt, deren historischer Kern überschaubar ist, an jeder Ecke eine Kirche. 11 als Ruinen, vor langer Zeit zerstört und so stehen gelassen. Auf ganz Gotland, das knapp 180 km lang und etwa 50 km breit ist, gibt es über hundert Kirchen, bis auf wenige alle zwischen 1100 und 1350 gebaut. Auch das hat mit Reichtum zu tun. Von Gotland aus wurde im Mittelalter Handel im gesamten Ostseeraum …

Schärenseligkeit

Einen Tag nehmen wir uns, nachdem Leander angekommen ist, um das wunderbare Vasa-Museum in Stockholm zu besuchen, dann kehren wir dem Yachthafentrubel den Rücken. Obwohl es sich diesmal immerhin um den «Königlich-Schwedischen-Segelclub in Saltsjöbaden»  (eine Bahnstunde vom Stockholmer Zentrum entfernt) handelt. Es ist auch wirklich ausgesprochen nett hier, aber königlich hin oder her, wir haben zwei Ankerplätze in den Schären kennen gelernt und wollen unbedingt mehr davon.  In der Woche, die Leander bei uns ist, segeln wir zwischen den inneren und den äußeren Schären, mal entspannt in breiten Fjorden, mal mit starrem Blick auf die Positionsangaben des Außenfunkgeräts und dem Finger auf der Karte, um ja keinen Stein zu übersehen. Ausgetonnte Fahrwasser gibt es nur dort, wo Großschifffahrt verkehrt. Es kann auch nicht neben jedem Stein, der nur knapp über oder knapp unter der Wasseroberfläche liegt, ein Warnzeichen stehen, dazu sind es einfach zu viele. Ein schwedischer Segler, der neben uns am Felsen in der Nordbucht von Nämdö liegt, erzählt, dass er auf einer Insel in der Nähe aufgewachsen sei und dass vor 10 Jahren hier …

Bilderbuchsegeln in Büllerbü

Montag Morgen gegen vier Uhr, ich döse gerade im Halbschlaf meiner dreistündigen Freiwache, als Annette verkündet: „Ich sehe Land“. Voraus liegt „Öja“. Eine langgezogene Insel der äußeren schwedischen Schären, südlich von Stockholm. Der Blick auf die Karte zeigt ganz viele kleine Steine und ein paar, eher wenige, Seezeichen, die zum überwiegenden Teil aus Kardinalen bestehen. Ansonsten gibt es noch ein Leuchtfeuer und andere Landmarken. Die schwedischen Karten zum Schärengebiet, die wir auf unserem Umweg nach Riga in Karlskrona gekauft hatten, zeigen so viele kleine Punkte, dass ich keine Vorstellung habe, wie man hier, vielleicht noch mit viel Wind, Seegang  und schlechter Sicht, durchkommen kann, ohne an den einen oder anderen Stein zu stoßen. Auch hier gilt Annettes Regel aus dem Straßenverkehr: „Du darfst nichts berühren“. Die Karte zeigt ganz in der Nähe eine kleine Ankerbucht. Wir machen zur Sicherheit ein paar größere Schlenker um nichts zu berühren und finden, nachdem wir uns geeinigt haben, welche Kardinale (schwarz-gelbes Seezeichen, das vor einem Hindernis warnt) wo hingehört, auch die kleine Bucht. Die kleine Bucht ist komplett voll …