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Boot und Wolken

Fehmarnnacht

Nach den diversen Kurztripps in der näheren Umgebung, weil die Windrichtung immer noch gegen uns ist, und wir auch mal ein paar Ecken erkunden wollten, wo wir sonst nicht hinkommen, ist jetzt Kurs Richtung Westen geplant. Es ist zwar nur wenig Wind vorhergesagt aber wenigstens nicht gegenan und auch keine Welle die gegen uns ist. Von Barhöft fahren wir bei leichtem Wind den Tonnenstrich auf die Ostsee raus und hoffen, dass es hier ein wenig mehr weht als an unserem Ankerplatz in der Windabdeckung. Das wir nicht direkt auf unser Ziel zufahren können und ein paar größere Kreuzschläge anstehen, darauf haben wir uns innerlich schon eingestellt. Aber draußen ist auch nicht genügend Wind um halbwegs weiter zu kommen. Annette möchte so gerne in den Nothafen Darßer Ort. Als Notfall reicht ihr auch – zu wenig Wind. Im Ergebnis der vorhergesagten Winddrehungen hatten wir eigentlich Warnemünde als Etappenziel vorgesehen. Aber egal woher der Wind kommt wir können überall hinfahren, denn wir laufen schon wieder unter Motor um heute überhaupt noch irgendwo anzukommen. Die Segel sind noch …

eine große Wasserfläche, am Horizont die Kirchen von Stralsund

Herumgondeln, mit dem Boot, einfach so…

Ohne die Corona-Pandemie wären wir nicht auf die Idee gekommen „mal in Deutschland herumzusegeln“ – an Orte, die entweder Peter oder ich oder wir beide noch nicht kennen. In den letzten Jahren haben wir wunderbare Reisen gemacht, auf denen wir die Zeit, die wir hatten, gut ausgenutzt und dadurch viele Orte besucht und viel erlebt haben. Dabei ist in einer Ecke meines Herzens der Wunsch gewachsen, einmal ohne große Pläne und Ziele mit RITH herumzugondeln und genau das tun wir in diesem Jahr. Es gibt, als grobe Richtung, die Schlei. Aber ob, wann und wie wir dahin kommen, ist eigentlich egal. Seit einer Woche sind wir jetzt unterwegs, haben nach langen Jahren meine Lieblingsinsel Hiddensee mal wieder besucht und dabei Freundinnen und Freunde getroffen, die ihre Ferien ebenfalls segelnd verbringen und uns schöne Plätze empfehlen können. Normalerweise kommen solche Empfehlungen auf eine „Liste der Orte, die wir irgendwann einmal besuchen wollen“. Diesmal fahren wir einfach hin – in den Jasmunder Bodden zum Beispiel, in dem es einen Ankerplatz gibt, an dem die bewaldete Steilküste gut …

Der Großsegler "Kapitan Borchardt" unter Motor auf dem Stettiner Haff

So wie immer aber anders

Auf dem Wasser scheint die Corona-Pandemie ganz weit weg. Wir schippern mit unserer kleinen Welt namens Rith über die Wasserstraßen, an denen mittlerweile jeder Baum ein alter Bekannter zu sein scheint. Alles fühlt sich an wie immer und dann doch nicht. Die Spree in Berlin – leer. Es ist nicht weniger, es ist kein Ausflugsverkehr. So haben wir diese Strecke noch nicht erlebt. Keine Kreuzfahrtschiffe auf den Kanälen, kaum Binnenschiffe und, anders als erwartet, auch nicht viele Sportboote. Alles ist ruhiger, gelassener. Das Schiffshebewerk hebt bzw. „senkt“ heute nicht mehr – dann schlafen wir eben hier. In Stettin, wo wir an der Kaikante in der Innenstadt den Mast stellen, ein Gespräch mit Passanten: „Wie ist das mit Corona bei euch? Abstand und Masken. Bei uns auch. Stimmt es, dass ihr jetzt 200 Euro zahlen müsst, wenn ihr in den Öffentlichen Verkehrsmitteln keine Maske tragt? Oh, wirklich?“ In Swinemünde ist der Hafen halbleer. Habe ich überhaupt eine Fähre nach Schweden ablegen sehen? Ich glaube nicht. Anders als sonst im Mai, legen wir eine Ankernacht in der Dänischen Wieck …

RITH an ihrem Liegeplatz in der Marina Schwedt bei strahlendem Sonnenschein

Ende einer Heimfahrt

Tagelang immer wieder die Wasserstände der Oder zwischen Stettin und Hohensaaten im Blick gehabt – die sich nach den Regenfällen der letzten zwei Wochen langsam, langsam nach oben bewegten. RITH soll wieder nach Berlin und den Kanal zwischen Westoder und der Schleuse Hohensaaten können wir diesmal nicht nehmen, weil diese Schleuse überholt wird und bis Anfang November geschlossen ist. Aber es gibt ja in Hohensaaten noch eine zweite Schleuse, die, die auf die Oder geht. Und da sind, als wir uns Anfang Oktober auf den Weg machen, alle Werte, die wir im Internet finden können, über zwei Meter – das reicht. Obwohl es kalt geworden ist, lässt sich die Fahrt ganz gut an. Der für diese Tage vorhergesagte Dauerregen bleibt aus, aber ein kräftiger Nordwestwind treibt uns am Nationalfeiertag so flott vor sich her, dass wir acht Stunden, nach der 9-Uhr-Brückenöffnung in Wieck schon in Swinemünde sind. Ein letztes Mal so richtig schön gesegelt mit RITH. Übers Haff am Freitag läuft der Motor, denn das bisschen Wind, das noch übrig ist kommt von vorn (woran erinnert …

Die fast letzten Meilen

Vier Uhr früh, der Wecker klingelt. Es ist noch dunkel vor den kleinen Kajütfenstern, wo gerade mal ein Augenpaar raussehen kann. Wenn man wollte könnte man den Hafen Simrisham sehen, mit seinem langen Schwimmsteg für Gästeboote, an dem heute fast ausschließlich deutsche Segler liegen. Zu so früher Stunde gibt es schon reges Treiben. Taschenlampenkegel funzeln über den Steg. Gedämpfte Stimmen rufen sich was zu. Motoren starten und Boote legen ab. Die ersten sind bereits mitten in der Nacht gestartet. Grund der ganzen Hektik ist wieder einmal das Wetter. Seit zwei Wochen haben wir Südwind in variierenden Stärken mit Regen und Gewitter. Und gegen den gilt es nach Hause zu kommen. Je nach persönlicher Beurteilung der diversen Wettervorhersagen und den eigenen Strategien haben die Crews ihren eigenen besten Startzeitpunkt. Die Diskussion um die aktuelle Wetterlage und unseren Kurs füllt gefühlt einen guten Teil der Tage aus. Aber jetzt ist es so weit, für einen Tag gibt es Südwestwind, der nachher noch auf West drehen soll. Die Windstärke liegt mit 18 Knoten so im oberen Bereich den …

ein kleiner Felsen mit einem kleinen gemauerten Seezeichen darauf, direkt neben der Fahrrinne

Weißt du, warum der Wind immer von vorn kommt?

Ich weiß es nicht und wahrscheinlich stimmt es auch garnicht, aber es ist doch schon ein bisschen seltsam, dass wir den größten Teil dieses Sommers nördliche Winde hatten und der Wind an dem Tag, an dem wir die Heimreise antreten und den Bug nach Süden richten auf Süd dreht. Das bleibt weitgehend so, bis wir die Südspitze von Schweden erreicht haben. Ab jetzt wäre Südwind garnicht so schlecht – da, es ist nicht schwer zu erraten, dreht er auf westliche Richtungen. Der Wind kommt also immer von vorn. Peter sagt, das ist nur Wetter, aber ich kann nicht verhehlen, dass ich geneigt bin, das ein bisschen persönlich zu nehmen. Dieses „Wetter“ spielt sich einfach gerade ganz schön in den Vordergrund. Einen nicht unerheblichen Teil unserer Zeit verbringen wir damit, anhand der Vorhersagen Strategien zu entwickeln, wie wir am Besten nach Hause kommen. Da die Vorhersagen sich immer wieder ändern, müssen auch die Strategien immer wieder neu diskutiert werden. Das ist irgendwie auch ganz unterhaltsam, aber dann kommt der Moment, da werden die Leinen losgemacht und …

karge Felseninsel mit ein paar kleinen Bäumen im Gegenlicht

Inselgefühle

Nur wir und die Natur. So hatte ich mir das vorgestellt in der Inselwelt der nördlichen Schären. Finnland, ein Land der endlosen, menschenleeren Wälder und Felseninseln. Segeln fern der Zivilisation. Naja, darüber, dass die Zivilisation überall Fahrwege markiert und Tonnen an Untiefen aufgestellt hat und wir uns nicht unsern Weg durch das Gewirr von Felsbrocken, Inseln und Steinhaufen selber „erloten“ müssen, bin ich schon ganz froh. Natürlich ist auch nichts dagegen zu sagen, dass alle anderen Schiffe und Boote diese Fahrwege ebenfalls nutzen. Und dass die Menschen, die hier leben, sich ihre Ferienhäuser an die schönsten Plätze der vielen Inseln bauen, kann ich verstehen. Vielleicht hat ja wirklich jede finnische Familie wenigstens eine kleine Hütte irgendwo auf einem Felsen? Da kommt dann schon einiges zusammen. Insgesamt sind zwar eine ganze Menge Segelboote unterwegs, die scheinen aber ihre Nächte in Häfen oder an den vielen privaten Stegen zu verbringen. So haben wir die Ankerplätze, die wir uns danach aussuchen, ob sie gegen den aktuellen und den vorhergesagten Wind geschützt liegen, meistens für uns. Und das sind …

Zwei kleine Felsen, die aus dem Wasser schauen im Abendlicht, der eine graublau, der andere orangerot erscheinend

60° 26‘ 2“ Nord 022° 14‘ 3“ Ost (Turku) 32°C

Es ist der nördlichste Punkt unserer Reise und es ist der heißeste Tag. In Turku steigt das Thermometer heute auf 32°. Der Stadtspaziergang findet auf der Schattenseite der Straßen und in halbem Tempo statt. Auf der einen Seite des Flusses vom Yachthafen durch das Zentrum bis zum Dom und auf der anderen Flussseite zurück. Unter „Turku“ hatte ich mir eine nicht sehr große, alte, aus schönen Holzhäusern bestehende Stadt vorgestellt. Der Name „Turku“ klingt für mich nach Holz. Aber es ist wie so oft: Alles ganz anders. Es gibt hier und da ein schönes großes oder kleineres altes Holzhaus, aber mein Bild der Stadt wird bestimmt von großen Wohnhäusern in allen Stilrichtungen seit den 50er Jahren. Vor einer Woche sind wir von Tallinn nach Helsinki gefahren. Hatten uns diesen Montag herausgesucht und alles andere darum herum geplant, weil an diesem Montag anstelle des in diesem Sommer vorherrschenden Nordwinds, Südwind bzw. Südostwind sein sollte. Und dann geraten wir in eine Regenwolke, in der nur Regen ist, ohne Wind und motoren fast die ganzen 50 Seemeilen im …

Blick ins Abendrot im Hafen von Tallinn mit großen und kleineren Schiffen im Gegenlicht

Tallinn

Der Motor dröhnt, das Vorsegel hängt schlaff vorm Mast herunter und es regnet seit heute Morgen, als wir abgelegt haben, um nach Helsinki überzusetzen. Und es gibt überall diese kleinen Fliegen, die sich lieber totquetschen lassen, als aus dem Weg zu fliegen oder am besten ganz abzuhauen. Und das trotz Regen. Gestern Abend sah die geplante Überfahrt von Tallinn noch viel besser aus. Der Wettervorhersage nach sollte es am Vormittag noch schönen Süd-Ost-Segelwind geben, der uns bei Sonne gemütlich nach Helsinki schieben würde. So um diese Zeit sollte es dann in Tallinn anfangen zu regnen, wir hätten schon die halbe Strecke geschafft und würden nur die dunklen Wolken am Horizont sehen, und denken „gut, dass wir jetzt nach Helsinki fahren“. Bei einem Sonnenwetter so schön wie an den letzten beiden Tagen, an denen wir auf unseren Klapprändern Tallinns viele verschiedene Stadtviertel erkundet haben. Angekommen waren wir Freitagabend am Ende eines schönen Segeltages, der in Lohusalu begann. Ein Zwischenhafen mit viel Natur drum herum. Hier kam wieder der Wunsch auf ein paar Tage länger zu bleiben …

„Kyklava, Kyklava Kyklava…“

Das erste, was wir in der Regel von einem neuen Land mitbekommen, sind Wörter aus dem Funkgerät. „kyklava, kyklava, kyklava“ scheint das Pendant zu „securité, securité, securité“ zu sein, womit die Warnmeldungen und Wettervorhersagen der Funkstationen eingeleitet werden. Die Ansagen werden von der estnischen Funkstation Tallinn Radio erst auf Englisch gemacht und dann auf Estnisch wiederholt und mit diesem schönen Wort eingeleitet*. Jede Funkstation hat offensichtlich eine Handvoll von Leuten, die sich in Schichten abwechseln. Wenn man länger unterwegs ist, lernt man ihre Stimmen kennen und ihre Eigenarten bei den Ansagen. Tallinn Radio hat einen Funker, dessen Sprachmelodie die endlosen Wälder und die Weite der leeren Wasserflächen wiederzugeben scheint und an Melancholie kaum zu überbieten ist. Schon auf der Fahrt von Färosund im Norden von Gotland nach Estland, begegnen wir wenig Schiffen. In der Irbenstraße, die in die Rigaer Bucht hineinführt und in der wir uns im letzten Jahr durch richtig viel Verkehr fädeln mussten, nur ein einzelner Frachter. Und dann segeln wir an diesem frühen Sonntagmorgen mutterseelenallein im Sonnenschein an der Insel Saaremaa entlang …